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FAQs

Bei welchen Beschwerden wird Cannabis angewendet?

Indikationen für cannabisbasierte Arzneimittel sind z.B. gemäß der Praxisleitlinien Schmerzmedizin 2018

unter anderem im Empfehlungsgrad A:

  • chronische Schmerzen
  • Tumorschmerzen
  • nicht tumorbedingter Schmerzen
  • neuropathischer Schmerz
  • Spastik bei Multipler Sklerose (MS) und schmerzhafter Spastik

Unter anderem im Empfehlungsgrad B:

  • Untergewicht/Appetitlosigkeit/Kachexie z.B. auch bei HIV Patienten
  • Viszeraler Schmerz, bei Morbus Crohn können Cannabinoide Schmerz, Gewicht und HRQoL verbessern
  • Chemotherapie-bedingte Übelkeit und Erbrechen

Unter anderem im Empfehlungsgrad C:

  • Schlafstörung bei chronischem Schmerz
  • rheumatologisch ausgelöster Schmerz, Muskelschmerz und Fibromyalgie
  • Tourette-Syndrom

Die oben genannten Indikationen sind eine Auswahl der in der oben aufgeführten Praxisleitlinie genannten Cannabisindikationen. Es gibt natürlich noch weitere Indikationen aus der Praxisleitlinie und aus anderen wissenschaftlichen Arbeiten.

In einer Bachelorarbeit in Zusammenarbeit mit der Hochschule Rosenheim mit 55 Cannabispatienten unserer Marien-Apotheke aus dem Jahr 2020 finden Sie Informationen über z.B. die Indikationen und Zufriedenheit der Patienten mit Ihrer Cannabistherapie.

Wie wirkt Cannabis?

Der psychotrope Inhaltsstoff ist Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC). Cannabidiol (CBD), der mengenmäßig zweitwichtigste Inhaltsstoff, wirkt nicht psychotrop. Wie die Substanzen im Körper ihre Wirkung entfalten, wurde erst in den 1990er-Jahren mit Entdeckung des Endocannabinoidsystems bekannt. Heute weiß man, dass es im Körper eigene Cannabinoidrezeptoren gibt, die von den Cannabis-Inhaltsstoffen aktiviert werden. Ein körpereigenes Cannabinoid ist Andandamid.

Bei den Cannabinoidrezeptoren unterscheidet man zwei Typen: CB1 kommen vor allem im ZNS, in peripheren Nervenfasern, im Gastrointestinaltrakt, in der Leber und im Fettgewebe vor. CB2 ist dagegen insbesondere auf Immunzellen lokalisiert. Eine Aktivierung dieser Rezeptoren moduliert zahlreiche Prozesse in der Zelle. In der Folge kann die Produktion verschiedener Media¬toren entweder angeregt oder gedrosselt werden. Im ZNS fungieren Endocannabinoide, die körper¬eigenen Agonisten an Cannabinoidrezeptoren, als Feinregulatoren an GABA-, Noradrenalin-, Acetylcholin-, Serotonin- und Dopamin-Rezeptoren.

Aus diesem überaus breiten Wirkspektrum der Cannabinoide ergeben sich vielfältige Effekte, die der Konsum von Cannabis beim Menschen auslöst. Er wirkt nicht nur psychotrop, sondern unter anderem auch appetitsteigernd, antiemetisch, schmerzlindernd, muskelrelaxierend, sedierend und anxiolytisch. Indikationen, in denen ein Therapieversuch mit Cannabinioiden sinnvoll erscheint, sind daher unter anderem chronische Schmerzen, Spastiken, Appetitmangel, Übelkeit, Depressivität sowie das Tourette-Syndrom, bei dem Patienten unter plötzlichen, Tic-artigen Zuckungen vor allem im Gesicht-, Hals- und Schulterbereich leiden. Weitere Informationen zur Wirkung von Cannabis finden Sie hier: www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-202012/hilft-hanf-in-allen-lebenslagen/

Wann kann ein Patient mit Cannabis behandelt werden?
Wann übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten?

Da Cannabis in Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen wurde, kann ein Arzt Cannabis für Selbstzahler verschreiben, sofern der Arzt mit seiner Therapíehoheit eine Indikation für Cannabis gegeben sieht.

Wann die gesetzliche Krankenkasse die Kosten einer Cannabistherapie übernehmen muss, ist im Im SGB V § 31 Absatz 6 niedergeschrieben.

Hier heißt es: Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a) nicht zur Verfügung steht oder
b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärtzin oder des behandelnden

Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Das bedeutet, dass ein Arzt z. B. einem Schmerzpatienten Cannabis verordnen kann, wenn bei dem Patienten die medizinisch etablierten Opiat- und Zusatzschmerztherapieen nicht oder nicht ausreichend wirken, oder der Patient von der Opioidtherapie so sehr starke und unzumutbare Nebenwirkungen (z.B. Übelkeit und Erbrechen) bekommt und zusätzlich der Arzt glaubt, dass die Cannabistherapie dem Patienten helfen kann. Die Entscheidung, ob eine Cannabistherapie gerechtfertigt und einen Versuch wert ist, kann nur der behandelnde Arzt treffen. Der Patient muss dann bei seiner gesetzlichen Krankenkasse (idealerweise zusammen mit dem Arzt) eine Übernahme der Behandlungskosten beantragen.

Welche Cannabissorten können medizinisch angewendet werden?

Es gibt in Deutschland verschiedene zur medizinischen Therapie zugelassene Cannabisblüten und Cannabisextrakte, Dronabinol und einige wenige Cannabis-Fertigarzneimittel. Die Cannabisblüten stammen aus Holland, Portugal, Kanada, Australien und neuerdings auch aus Deutschland. Sie unterscheiden sich in Ihrer Genetik (Sativa = eher anregend, kopflastig; Indica = eher entspannend, körperlastig, Hybrid = Mischung aus Sativa und Indica), Terpenzusammensetzung und in Ihren THC- und CBD-Gehalten. Außerdem gibt es verordnungsfähige Cannabiszubereitungen wie z.B. Dronabinol-Lösungen oder Kapseln.

Eine Übersicht über aktuell verfügbare Cannabisarzneimittel finden Sie unter Produkte.

Welche Neben- und Wechselwirkungen können Cannabisarzneimittel haben?

Bei Anwendung in niedrigen medizinischen Dosen können u.a. folgende Nebenwirkungen auftreten: Euphorie, verstärkter Appetit, Mundtrockenheit, v.a. bei älteren Patienten Schwindel, Durchfall/Verstopfung, Verringerung des Reaktionsvermögens, Unruhe, Angst, anfangs erhöhter Puls und Blutdrucksenkung und Müdigkeit (oft
gewünschte Nebenwirkung in Form eines besseren Schlafes).

Durch eine geeignete Auswahl des Cannabisarzneimittels und eine sehr langsame Aufdosierung zu Beginn der Therapie können in vielen Fällen die möglichen Nebenwirkungen reduziert werden.

Wechselwirkungen von Cannabisarzneimitteln mit anderen Arzneimitteln können in wenigen Fällen auftreten. Bei einer gleichzeitigen Behandlung mit CYP3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol, Itraconazol, Clarithromycin oder Ritonavir sind verstärkte Wirkungen von Cannabinoiden nicht auszuschließen. Bitte fragen Sie hierzu Ihren Apotheker oder Arzt.

Eine deutliche Kontraindikation von Cannabis ist neben der Schwangerschaft u.a. das jugendliche und sehr junge Erwachsenenalter. In diesem Alter kann Cannabis nachweislich zu einer Störung der Gehirnentwicklung und auch zu einer erhöhten Ausbildung von Psychosen zu einem späteren Zeitpunkt führen.

Kann medizinisches Cannabis abhängig machen?

In wie weit Cannabis bei medizinischem Gebrauch abhängig machen kann, ist auf Grund der erst kurzen medizinischen Anwendungsdauer noch nicht ausreichend geklärt. Man geht davon aus, dass bei einem Teil der Patienten eine Abhängigkeit entstehen kann. Diese ist in den meisten Fällen aber im Vergleich zu anderen Medikamentenabhängigkeiten (z.B. Opiaten, Benzodiazepinen) deutlich geringer. In der Regel kann durch langsames Absetzen innerhalb von zwei bis sechs Wochen die Cannabismedikation wieder ausgeschlichen werden.

Wie wird Cannabis eingenommen? Was sind die Vor- und Nachteile?

Cannabis kann in Form von Blüten inhaliert werden. Hierbei hat der Patient einen sehr schnellen Wirkungseintritt nach schon 3–10 min. Die Wirkungsdauer ist nur ca. zwei bis vier Stunden. Die Dosierung erfolgt volumetrisch mit einem Dosierlöffel bei vermahlenen Blüten oder mittels einer Feinwaage des Patienten bei unverarbeiteten Blüten.

Cannabisblüten können auch in Form von Tee zubereitet werden. Der Wirkungseintritt ist hier nach ca. 45 bis 60 min, die Wirkungsdauer ist ca. sechs bis acht Stunden. Nachteil der Cannabisteezubereitung ist die sehr schlechte Löslichkeit der Cannabinoide in Wasser und die lange Zubereitungszeit von mindestens 30 min Köcheln. Auf Grund der schlechten Löslichkeit werden nur sehr wenig und auch nicht gut reproduzierbare Mengen Cannabinoide gelöst, was eine schlechte Ausbeute und eine nicht unbedingt immer gleiche therapeutische Dosis als Ergebnis hat. Aus pharmazeutischer Sicht ist der Cannabistee weniger zu empfehlen.

Besser geeignet als der Tee sind zur oralen Einnahme die Cannabisextrakte. Diese haben einen stets gleichen standardisierten Gehalt an THC/CBD. Die Extrakte können je nach Wunsch des Arztes oder Patienten in der Apotheke mit einem „Tropfer“ oder einer Dosierspritze versehen werden, so dass der Patient sehr einfach und reproduzierbar seine nötige Extraktmenge dosieren kann. Der Wirkungseintritt erfolgt je nach Magenfüllung nach ca. 45–90 min, die Wirkungsdauer beträgt sechs bis neun Stunden.

Gibt es Lieferengpässe bei Cannabis in der Apotheke?

Es kann immer wieder vorkommen, dass einige Cannabisblütensorten und Cannabisextrakte temporär auch mal länger nicht verfügbar sind. Generell hat der Arzt aber in der Regel die Möglichkeit bei Lieferengpässen auf andere Cannabisblüten und Extrakte auszuweichen, welche sehr vergleichbare Zusammensetzungen haben. Wir beraten Sie gerne über die Zusammensetzungen der Cannabisarzneimittel.